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Christian Boltanski, Le Lycée Chases en 1931, 1987 © mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien / Bildrecht, Wien 2024

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Di, 17. September Jüdisches Museum Wien

Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis

Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, zeigt ab dem 18. September 2024 die Ausstellung "Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis". Die Ausstellung widmet sich erstmals der Enkelgeneration der Holocaust-Überlebenden und setzt ihren Umgang mit dem ererbten Trauma in Bezug zu jenem der Zweiten Generation.

Sie beleuchtet die unterschiedliche Auseinandersetzung der Nachfolgegenerationen mit ihrer Familiengeschichte und veranschaulicht die Auswirkungen der Schoa auf ihre jeweilige Lebensrealität und Identität. Gezeigt werden neben historischen Objekten künstlerische Auseinandersetzungen sowie Erinnerungsstücke. Emotional begleitet und inhaltlich zusammengefasst werden die Exponate durch die ausdrucksstarke Ausstellungsgestaltung von koerdtutech (Irina Koerdt und Sanja Utech), die das Fragmenthafte der Erinnerung, die Bedeutung von Sprache im Erinnerungsprozess sowie die verschiedenen Schichten von Identität sinnlich erfahrbar macht.

Familiengeschichten von Verlusten und erlittener Gewalt geprägt
Sabine Apostolo, Kuratorin Jüdisches Museum Wien: "Die Ausstellung zeigt mit all der Vielfältigkeit an Objekten – von hochkarätiger Kunst über ein Straßenschild bis hin zu Ansichten niederösterreichischer Weingärten – was es bedeutet, Nachkomme von Holocaust-Überlebenden zu sein: Ein stetes Bedürfnis, mehr über die Geschichte der Vorfahren wissen, verstehen und bewahren zu wollen, und damit einhergehend der Wunsch herauszufinden, was die eigene Rolle in dieser Geschichte ist."

Gabriele Kohlbauer-Fritz, Kuratorin Jüdisches Museum Wien: "Jede Position der Nachfahren zu ihrer von Verlusten und erlittener Gewalt geprägten Familiengeschichte hat ihre Berechtigung, sei sie radikal, versöhnlich, ironisch, künstlerisch kreativ, verzweifelt oder von Religiosität geprägt."

Zwischen Schweigen und Offenbarung: Das Erbe des Holocaust
"Es gibt keinen Tag in meinem Leben, an dem ich nicht an den Holocaust denke.“ Diese Worte fassen eine Realität zusammen, die für viele Nachkommen von Holocaust-Überlebenden prägend ist. Mehr als 80 Jahre nach der Schoa sterben heute die letzten Zeitzeug*innen. Ihre Geschichte und ihre Traumata wurden an die Generationen der Kinder und Enkelkinder weitergegeben. Während die zweite Generation mit den seelischen und körperlichen Verletzungen ihrer Eltern aufwuchs, blickt die dritte Generation mit größerem zeitlichem Abstand auf die oft nur lückenhaft überlieferte Familiengeschichte. Die Ausstellung ist sowohl eine Einführung in die Thematik als auch eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der Generationen zueinander. Vererbtes Trauma, das Suchen und Festhalten von Spuren, Erinnerungsreisen und das Erinnern als Auftrag spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Bewusstsein, dass das eigene Leben auf dem Überleben anderer beruht, macht Erinnerung und Schweigen, Familienmythen und Geheimnisse, erdrückendes oder fehlendes Familienerbe allgegenwärtig.

Vielfältige Perspektiven auf Erinnerung und Trauma
Die Ausstellung vereint Leihgaben aus den USA, Kanada, Israel und mehreren europäischen Ländern. Sie setzt sich sowohl mit jüdischen Sichtweisen, als auch mit Erfahrungen von Rom*nja und Sinti*zze auseinander und unterstreicht damit die Vielfalt der Perspektiven und Traumata, die in den gezeigten Werken zum Ausdruck kommen.

Gezeigt werden Werke von renommierten Künstler*innen wie Bracha L. Ettinger und Christian Boltanski. Die Geschichte von Ziva Postec, der Cutterin von Claude Lanzmanns Shoah bietet unbekannte Einblicke in die Entstehung des monumentalen Films. Besondere Highlights sind Objekte aus der Verfilmung von "Everything Is Illuminated" sowie die Serie "I Am My Family" von Rafael Goldchain, die das vererbte Trauma und die Erinnerung auf sehr persönliche Weise dokumentiert.

Die gezeigten Arbeiten erzählen vom Archivieren und bewussten Erinnern, vom Verschweigen und Aneignen, von der Allgegenwärtigkeit der Schoa, den großen Lücken in den Familiengeschichten und den Versuchen, diese zu füllen. Sie thematisieren die persönliche und kollektive Auseinandersetzung mit dem Holocaust und zeigen eindrücklich seine anhaltende Wirkung auf die nachfolgenden Generationen.

Zukunft der Zeitzeugenschaft und gesellschaftlicher Kontext
Mit dem Sterben der letzten Überlebenden wird die Bewahrung des kulturellen Gedächtnisses zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Die nachfolgenden Generationen können zwar die Zeitzeug:innen nicht ersetzen, ihre spezifischen Erfahrungen und Perspektiven, die sie in den öffentlichen Diskurs einbringen, verbinden jedoch die Vergangenheit mit der Gegenwart und haben damit eine entscheidende Rolle im Erinnerungsprozess. Die Ausstellung füllt eine wichtige Lücke, indem sie erstmals umfassend die Perspektiven der Nachfolgegenerationen des Holocaust in den Mittelpunkt rückt und die Frage nach den Nachwirkungen der Schoa heute stellt.

Ereignisse wie der Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 und die darauf folgende generationenübergreifende Traumatisierung und Re-Traumatisierung von Jüdinnen und Juden weltweit, werden ebenso thematisiert. Diese Dimension verstärkt die Auseinandersetzung mit dem Erbe des Holocaust und stellt die Ausstellung in einen Dialog mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen.

Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis
ist vom 18. September 2024 bis 16. März 2025 im Jüdischen Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, zu sehen. Kuratiert von Sabine Apostolo und Gabriele Kohlbauer-Fritz, wurde sie architektonisch von koerdtutech und grafisch von BFBW – Bernhard Faiss & Barbara Wais gestaltet. Die Ausstellung Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Jüdischen Museum Wien und dem Jüdischen Museum München, wo die Ausstellung anschließend zu sehen sein wird. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen vertieft die Themen der Ausstellung und lädt zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Erbe der Schoa ein.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hentrich & Hentrich Verlag zum Preis von 29,90 €, mit einem Vorwort von Jutta Fleckenstein und Barbara Staudinger. Der Katalog enthält unter anderem Beiträge von Katja Petrowskaja, Cilly Kugelmann, David Slucki, sowie den Kuratorinnen Sabine Apostolo und Gabriele Kohlbauer-Fritz. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.

Weitere Informationen:
Jüdisches Museum Wien
Jüdisches Museum Wien - Facebook

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